Die Bedeutung von Triggern

In der Psychotraumatologie meint ein Trigger einen Auslösereiz oder ein Ereignis, das eine starke emotionale Reaktion, unverarbeitete Emotionen oder (unbewusste) traumatische Erinnerungen bei einer Person aktivieren kann.

 

Warum lösen Trigger Erinnerungen an traumatische Erlebnisse aus

Erlebt ein Mensch eine „normale Situation“ wie z. B. eine Autofahrt, dann wird das Erlebnis als zusammenhängende Situation vom Gehirn abgespeichert - sozusagen als Situation mit Beginn, Verlauf und Ende.

Bei traumatischen Ereignissen läuft dieser Prozess anders ab. Das Gehirn ist von den einströmenden Reizen derart gestresst und überfordert, dass die Eindrücke vom Gehirn nicht in einer geordneten Weise verarbeitet werden können. Dies hat zur Folge, dass die verschiedenen Eindrücke in einzelnen Fragmenten gespeichert werden und nicht als zusammenhängendes Ereignis.

Ein Autounfall wird dann beispielsweise nicht als ein Ereignis mit einem Anfang und einem Ende abgespeichert. Vielmehr liegen in unserem Gehirn durch die Fragmentierung unserer Wahrnehmung (Teil der Dissoziation) einzelne, unzusammenhängende Teile (Erinnerungsfragmente) herum, die dann später „getriggert“ werden können.

Im Fall des Autounfalls kann dies z. B. der Geruch von verbranntem Gummi oder das Quietschen von Reifen sein. Die Fragmentierung ist nicht per se schlecht, sie dient dem Menschen vielmehr dazu, das Erlebnis, das nicht auszuhalten ist, aushaltbar zu machen.

Was kann alles triggern?

Trigger können durch alle Sinnesreize (Riechen, Hören, Sehen, Schmecken, Fühlen) aktiviert werden.

Ein Mensch in der Mitte, umgeben von Kreisen in denen unsere fünf Sinne durch ein Auge, eine Hand, ein Mund, ein Ohr eine Nase zu sehen sind

Zum Beispiel durch:  

  • Geräusch (z. B. zuschlagende Tür, Autohupe)

  • Geruch (z. B. Parfüm, Rauch, gemähtes Gras)

  • Bilder

  • Worte

  • Stimmlage (z. B. das erheben der Stimme)

  • Atmosphäre bzw. Energie

  • soziale Situation (z. B. große Menschenmengen oder Konflikte)

  • Ort

  • Berührung


Auch die pure Präsenz einer Person, das Verlassen des Raumes einer Person, oder wenn eine Person nett zu einer andern Person ist, können Trigger für Menschen sein. Diese Trigger treten insbesondere dann in Erscheinung, wenn Bindungs- und Entwicklungstraumatisierungen eine Rolle spielen.

 

Wie lange wirken Trigger?

Manchmal kann ein Trigger auch schon vor ein paar Tagen gesetzt worden sein, bis er seine Wirkung zeigt. Die mit Triggern verbundenen, starken Emotionen können wenige Minuten bis hin zu mehreren Tagen anhalten.

 

Was genau passiert, beim Triggern?

Bei der Aktivierung eines Triggers in der menschlichen Psyche erfolgt eine komplexe Reaktion, die neurobiologische und psychologische Prozesse umfasst. Dieser Zustand wird als traumanaher, innerer Zustand beschrieben, der durch den Trigger aktiviert wird.

Gefühle werden aktiviert:

Der Trigger aktiviert das limbische System, das für Gefühle zuständig ist und führt zur Freisetzung von Neurotransmittern wie Adrenalin und Noradrenalin.


Der Körper reagiert:

Die Freisetzung der Neurotransmitter mobilisiert den Körper für "Kampf- oder Flucht"-Reaktionen. Der Herzschlag kann schneller werden, wir können nervös werden oder sogar schwitzen. Weitere Reaktionen können Unwohlsein, Panikattacken, Angstzustände, Hyperarousal (chronisch erhöhter Erregungszustand) sein.


Erinnerungen kommen hoch:

Der Trigger ist oft mit traumatischen Erinnerungen verbunden, was zu einem Wiedererleben dieser Erfahrungen (Flashbacks) führen kann.


Denken wird schwieriger: Das Wiedererleben der traumatischen Erinnerungen beeinflusst wiederum die Wahrnehmung, löst automatische physiologische Reaktionen aus und kann das rationale Denken einschränken.

 

Von jetzt auf gleich wieder Kind

Trigger können dazu führen, dass wir uns sofort in einem kindlichen Anteil wiederfinden, der nichts mehr mit der erwachsenen Person, die wir eigentlich sind, zu tun hat. So kann die erfolgreiche Politikerin beispielsweise durch einen Geruch plötzlich komplett unsicher und ängstlich werden und nicht mehr in der Lage dazu sein, eine Rede zu halten. Das liegt daran, dass der Trigger von außen einen Zustand im Inneren aktiviert, der hoch emotional und unverarbeitet ist. Der Auslösereiz (Erinnerungsfragment) führt in der entsprechenden Situation also dazu, dass man mit allen „alten“ Gefühlen überflutet wird, die in der Vergangenheit erlebt und verdrängt wurden.

 

Trigger sind unbewusst

Durch die fragmentierte Abspeicherung der traumatischen Erlebnisse sind uns die damit verbundenen intensiven Gefühle und auch die Auslösereize nicht bewusst. Das hat zur Folge, dass diese starken Emotionen jederzeit getriggert werden. So ist es möglich, dass wir immer wieder Situationen erleben, in denen wir unangemessen und komplett überreagieren. Der eine streitet sich wegen einer vermeintlichen Lappalie immer wieder bis aufs Blut mit seinem Partner, der nächste wird in Konflikten immer traurig, zieht sich zurück und kommt vielleicht tagelang nicht aus diesem Gefühl heraus.



Trigger können schon im Mutterleib entstehen

Trigger können bereits im Mutterleib entstehen, da der Fötus in dieser Phase sowohl körperlich als auch emotional auf die Umwelt und die Erfahrungen der Mutter reagiert.

Beispiel: Schwangere Frau erlebt häusliche Gewalt

Anna ist im siebten Monat schwanger und lebt mit ihrem Partner, der sie körperlich und emotional misshandelt. Sie ist täglich extremem Stress und Angst ausgesetzt, da sie ständig mit der Bedrohung körperlicher Gewalt und verbaler Erniedrigung leben muss. Diese wiederholten traumatischen Erfahrungen haben erhebliche Auswirkungen auf ihren Körper und Geist.

Auswirkungen auf den Fötus:

Erhöhte Stresshormone: Wegen der anhaltenden Angst und des täglichen Stresses produziert Annas Körper hohe Mengen an Stresshormonen wie Cortisol und Adrenalin. Diese Hormone passieren die Plazenta und beeinflussen die Entwicklung des Nervensystems des Fötus. Der Fötus könnte aufgrund der hohen Cortisolspiegel im Blut der Mutter empfindlicher auf Stress reagieren.


Gestörte emotionale Bindung: Anna hat Schwierigkeiten, eine emotionale Bindung zu ihrem ungeborenen Kind aufzubauen, da sie von der Angst und dem Trauma, die durch die häusliche Gewalt verursacht werden, überwältigt ist. Diese gestörte Bindung kann die emotionale Entwicklung des Fötus beeinträchtigen und zu Unsicherheiten nach der Geburt führen.


Physiologische Auswirkungen: Annas körperliche Gesundheit kann durch die Gewalt beeinträchtigt sein, was zu Verletzungen oder anderen gesundheitlichen Problemen führen kann. Diese Faktoren können ebenfalls die Entwicklung des Fötus negativ beeinflussen.


Langfristige Folgen:

o   Erhöhte Empfindlichkeit auf Stress: Das Kind könnte nach der Geburt eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Stress zeigen, da sein Nervensystem während der pränatalen Entwicklung ständig hohen Cortisolspiegeln ausgesetzt war.

 

o   Verhaltensauffälligkeiten: Das Kind könnte später im Leben Verhaltensauffälligkeiten oder emotionale Probleme entwickeln, die auf die traumatischen Erfahrungen der Mutter während der Schwangerschaft zurückzuführen sind.

 

o   Gesundheitsprobleme: Langfristig könnte das Kind anfälliger für gesundheitliche Probleme wie Angststörungen, Depressionen oder andere stressbedingte Erkrankungen sein.

Ein Mann, der den Mund weit offen hat und eine  Frau anschreit, die direkt vor ihm steht. Geschrei als späterer Trigger.

Geschrei oder laute Stimmen als Trigger:

Ein praktisches Beispiel für einen Reiz, der später als Trigger für das Kind (Erwachsenen) wirken könnte, ist lautes Geschrei oder laute Stimmen.

Während der Schwangerschaft hörte der Fötus möglicherweise häufig das laute Schreien und die wütenden Stimmen des gewalttätigen Partners. Diese Geräusche wurden im Gehirn und im Nervensystem des ungeborenen Kindes als Bedrohung wahrgenommen und abgespeichert. Nach der Geburt könnte das Kind in Situationen, in denen es laute Stimmen oder Geschrei hört, ähnliche Angst- und Stressreaktionen zeigen wie die, die es im Mutterleib erlebt hat.


Beispielhafter Trigger und seine Wirkung:

Trigger: Laute Stimmen oder Geschrei.

Wirkung: Wenn das Kind später in seinem Leben laute Stimmen oder Geschrei hört, könnte es starke Angstgefühle, Panikattacken oder stressbedingte körperliche Reaktionen wie Herzrasen und Zittern erleben. Diese Reaktionen sind eine Folge der pränatalen Konditionierung, die das Kind während der stressbelasteten Schwangerschaft seiner Mutter erfahren hat.




Dieses Beispiel zeigt auf, dass wir zwar oftmals den Auslösereiz (Trigger) identifizieren und auch damit im Coaching arbeiten können. Nicht selten, bleibt aber unklar wie und wodurch der Trigger zustanden kam, insbesondere dann, wenn der Trigger gar nicht selbst erfahren wurde, sondern schon von den Eltern oder auch den Generationen davor erlebt wurde.




Der Zusammenhang von Triggern und transgenerationalem Trauma

Transgenerationales Trauma beschreibt das Phänomen, bei dem die Auswirkungen traumatischer Ereignisse über Generationen hinweg weitergegeben werden. Dies kann geschehen, wenn traumatische Erfahrungen nicht vollständig verarbeitet werden und die emotionalen, psychologischen und sogar physiologischen Folgen dieser Traumata auf nachfolgende Generationen übertragen werden.




Mechanismen der Weitergabe von Trauma

  1. Epigenetische Veränderungen: Traumatische Ereignisse können epigenetische Veränderungen hervorrufen, die die Genexpression beeinflussen. Diese Veränderungen können an die Nachkommen weitergegeben werden. Beispielsweise können erhöhte Stresshormone und veränderte Stressreaktionen, die durch ein Trauma verursacht wurden, über epigenetische Mechanismen an Kinder und Enkelkinder weitergegeben werden.

  2. Elterliches Verhalten: Eltern, die traumatische Erfahrungen gemacht haben, können Verhaltensmuster und emotionale Reaktionen entwickeln, die unbewusst an ihre Kinder weitergegeben werden. Diese Kinder lernen dann, auf ähnliche Weise auf Stress und Herausforderungen zu reagieren, wie es ihre traumatisierten Eltern tun.

  3. Familienumfeld: Kinder wachsen in einem Umfeld auf, das durch die unbewältigten Traumata der Eltern geprägt ist. Dieses Umfeld kann durch übermäßige Ängstlichkeit, Überbehütung, emotionale Distanz oder instabile Beziehungen gekennzeichnet sein. Solche Umgebungen können die emotionale und psychologische Entwicklung der Kinder negativ beeinflussen.

 

Auch transgenerationale Traumata und damit verbunden Trigger können im Coaching behutsam bearbeitet und transformiert werden. Mehr Infos zum Umgang mit transgenerationalen Triggern findest du im Blogbeitrag „Wie du langfristig mit Triggern umgehen kannst“.

 

Es ist nie zu spät für Heilung!

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Wie gehst du mit Triggern um? Ein Leitfaden zur Selbstregulation und Heilung

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Definition, Ursachen und Merkmale von Schocktrauma, Entwicklungstrauma und Bindungstrauma