Fawn Response verstehen und heilen: Wie Trauma-Coaching bei der Bewältigung der Unterwerfungsreaktion hilft

Die Fawn Response (deutsch: Unterwerfungsreaktion) ist eine der vier häufigsten Stressreaktionen, die in bedrohlichen oder traumatischen Situationen auftreten können: Fight (Kampf), Flight (Flucht), Freeze (Erstarren) und Fawn (Unterwerfung). Während Kampf, Flucht und Erstarren weitgehend bekannt sind, wird die Fawn Response oft übersehen, obwohl sie genauso schädlich sein kann.

zwei Frauen in Fawn-Response Haltung

Was ist die Fawn Response?

Die Fawn Response ist eine Anpassungsreaktion, die sich durch extreme Unterwürfigkeit oder das Bemühen auszeichnet, anderen zu gefallen, um Konflikte oder Gewalt zu vermeiden. Anstatt sich durch Kampf oder Flucht zu verteidigen, versucht die betroffene Person, durch übermäßige Kooperation, Zustimmung und das Anpassen ihrer eigenen Bedürfnisse, Wünsche oder Überzeugungen, die Situation zu entschärfen. Diese Reaktion geht oft mit einem tief verwurzelten Gefühl der Unsicherheit und des Selbstverlusts einher, weil die Person ständig darauf bedacht ist, andere zufriedenzustellen, um sich vor emotionalem oder physischem Schmerz zu schützen.

 

Wie entsteht die Fawn Response?

Die Fawn Response entwickelt sich oft als Bewältigungsmechanismus bei Menschen, die in einer Umgebung aufgewachsen sind oder gelebt haben, in der sie sich nicht sicher fühlten. Dies kann in dysfunktionalen Familien, missbräuchlichen Beziehungen oder unter ständiger emotionaler Vernachlässigung geschehen.

Kinder, die beispielsweise mit missbräuchlichen Elternteilen oder stark autoritären Bezugspersonen aufwachsen, lernen möglicherweise, dass Widerspruch oder das Setzen von Grenzen zu negativen Konsequenzen führen. Um sich zu schützen, entwickeln sie die Tendenz, zu beschwichtigen und sich unterzuordnen. In anderen Fällen kann diese Reaktion auch durch frühkindliche Traumata ausgelöst werden, bei denen das Kind keine anderen Optionen als Anpassung sah, um zu überleben.

Dieser Verhaltensmechanismus wird tief in das Nervensystem eingebettet und kann sich bis ins Erwachsenenalter fortsetzen. Menschen, die in solchen Mustern gefangen sind, haben häufig Schwierigkeiten, gesunde Grenzen zu setzen und ihre eigenen Bedürfnisse zu priorisieren. Sie entwickeln häufig eine „People-Pleasing“-Mentalität und sind emotional erschöpft, weil sie sich selbst immer hinten anstellen.

 

Wie Trauma-Coaching bei der Bewältigung der Fawn Response helfen kann

Trauma-Coaching kann eine wirksame Methode sein, um die Fawn Response zu erkennen, zu verstehen und zu transformieren. Hierbei kommen verschiedene Ansätze zum Einsatz, die auf körperorientierten und systemischen Methoden basieren, um den Betroffenen zu helfen, ihre Reaktionen auf Stress zu verändern und gesündere Bewältigungsmechanismen zu entwickeln.

 

1. Erkennen und Bewusstwerden der Muster

Im Coaching wird zunächst darauf hingearbeitet, dass die betroffene Person ihre Fawn-Muster erkennt. Oft sind diese Verhaltensweisen so tief verwurzelt, dass sie unbewusst ablaufen. Ein Trauma-Coach unterstützt die Klientin oder den Klienten dabei, die Situationen zu identifizieren, in denen sie sich unterwerfen, und zu verstehen, warum sie so reagieren.

 

2. Verbindung mit dem Körper

Die Fawn Response ist, wie alle Stressreaktionen, tief in unserem Nervensystem verankert. Durch körperorientierte Techniken wie Atemarbeit, Achtsamkeitstraining und Übungen zur körperlichen Selbstwahrnehmung wird im Trauma-Coaching daran gearbeitet, eine gesunde Verbindung zum eigenen Körper herzustellen. Dies ermöglicht es der Person, ihre Stressreaktionen im Körper wahrzunehmen und zu regulieren.

 

3. Veränderung von Glaubenssätzen

Viele Menschen mit einer ausgeprägten Fawn Response haben Glaubenssätze entwickelt, die darauf abzielen, Konflikte zu vermeiden und Harmonie um jeden Preis zu bewahren. Diese Glaubenssätze – wie „Ich bin nur dann liebenswert, wenn ich anderen gefalle“ oder „Konflikte sind gefährlich“ – können im Coaching hinterfragt und neu programmiert werden. Durch systemische Ansätze wird daran gearbeitet, die Ursprünge dieser Überzeugungen zu verstehen und sie Schritt für Schritt durch gesündere Denkweisen zu ersetzen.

 

4. Grenzen setzen und Selbstfürsorge

Ein wichtiger Teil des Trauma-Coachings besteht darin, der Person zu helfen, gesunde Grenzen zu setzen und Selbstfürsorge zu praktizieren. Oft fällt es Menschen, die sich der Fawn Response bedienen, schwer, „Nein“ zu sagen oder für ihre eigenen Bedürfnisse einzustehen. Durch gezieltes Coaching und praxisnahe Übungen lernen sie, ihre eigenen Grenzen zu erkennen und sie im Alltag durchzusetzen, ohne Angst vor negativen Konsequenzen zu haben.

 

5. Integration und Heilung

Der Heilungsprozess erfordert Zeit und Geduld. Durch die Kombination von Coaching und therapeutischen Ansätzen wird daran gearbeitet, alte Wunden zu heilen und neue, gesunde Verhaltensmuster zu integrieren. Das Ziel ist es, die betroffenen Personen darin zu unterstützen, in Beziehungen sicher und authentisch zu agieren, ohne die Angst vor Ablehnung oder Konflikten.

Fazit

Die Fawn Response ist eine tief verwurzelte Überlebensstrategie, die sich oft aus frühen traumatischen Erfahrungen entwickelt. Während sie kurzfristig Schutz bieten kann, führt sie langfristig zu emotionaler Erschöpfung, Verlust der eigenen Identität und Schwierigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen. Trauma-Coaching bietet einen effektiven Weg, um die Unterwerfungsreaktion zu erkennen, sie zu transformieren und gesündere Bewältigungsmechanismen zu entwickeln. Indem die Klienten lernen, ihre eigenen Bedürfnisse zu erkennen und zu priorisieren, können sie nicht nur die Kontrolle über ihre Reaktionen zurückgewinnen, sondern auch authentischere und erfüllendere Beziehungen führen.

Traumasensibles Coaching öffnet den Raum für nachhaltige Heilung und stärkt das Vertrauen in sich selbst – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem gesünderen und erfüllteren Leben.

Es ist nie zu spät für Heilung!

 

 


 

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