Warum klassische Psychotherapie bei Traumafolgestörungen oft versagt: Das fehlende Verständnis für Körper und Nervensystem

In der klassischen Psychotherapie liegt der Fokus meist auf Gesprächen, der Analyse von Gedanken und Gefühlen sowie dem Verstehen und Bearbeiten vergangener Erlebnisse auf einer kognitiven Ebene. Für viele Menschen mit psychischen Belastungen mag dies durchaus hilfreich sein. Doch wenn es um Traumafolgestörungen geht, reicht dieser Ansatz oft nicht aus – im Gegenteil, er kann sogar ins Leere laufen. Warum ist das so?

Der Grund liegt in einem grundlegenden Missverständnis: Traumata sind nicht nur im Kopf verankert, sondern tief in unserem Körper und Nervensystem. Diese Erkenntnis ist in der traditionellen Psychotherapie oft unterrepräsentiert, was dazu führt, dass viele Traumabetroffene nicht die Hilfe bekommen, die sie wirklich brauchen.

Der Körper speichert Traumata

Ein Trauma ist mehr als nur eine Erinnerung an ein belastendes Ereignis. Es hinterlässt Spuren im gesamten Nervensystem und im Körper. Unser Gehirn und Körper sind während traumatischer Erlebnisse darauf ausgelegt, im Überlebensmodus zu funktionieren – sie schalten in einen automatischen Schutzmechanismus um, der uns vor der Bedrohung bewahren soll. Das Nervensystem geht in Alarmbereitschaft, und der Körper speichert die Spannung, die während des Traumas nicht verarbeitet wurde.

Selbst lange nach dem traumatischen Ereignis bleibt diese gespeicherte Energie oft aktiv und beeinflusst unbewusst unser Verhalten, unsere Emotionen und unsere körperliche Gesundheit. Viele Menschen mit Traumafolgestörungen erleben deshalb Symptome wie chronische Anspannung, Schlafprobleme, Panikattacken, Dissoziation oder das Gefühl, "nicht ganz im Körper" zu sein. All das sind Zeichen dafür, dass das Nervensystem noch immer im Überlebensmodus steckt.


Die Lücke in der klassischen Psychotherapie

In der klassischen Psychotherapie wird dieser körperliche Aspekt oft vernachlässigt. Der Fokus liegt auf Gesprächen, der kognitiven Verarbeitung von Gedanken und dem Erkennen von Verhaltensmustern. Das mag bei leichten psychischen Belastungen hilfreich sein, ist aber oft unzureichend, wenn es um tief verwurzelte Traumata geht.

Menschen mit Traumafolgestörungen berichten häufig, dass sie nach Jahren der Gesprächstherapie zwar viel über ihre Probleme wissen, sich aber nichts grundlegend verändert hat. Sie haben das Gefühl, dass ihre Symptome weiterhin bestehen, obwohl sie den Verstand ihrer Situation gewonnen haben. Warum? Weil der Körper und das Nervensystem nicht in die Therapie einbezogen wurden.

Eine Nervenzelle, die feuert - Das Nervensystem als Schlüssel für die Traumaarbeit

Warum das Nervensystem entscheidend ist

Unser Nervensystem spielt eine zentrale Rolle in der Verarbeitung von Traumata. Es steuert unsere Überlebensreaktionen wie Flucht, Kampf oder Erstarrung. Wenn das Nervensystem durch ein Trauma "eingefroren" oder überaktiviert wurde, reicht es nicht aus, nur auf kognitiver Ebene zu arbeiten. Der Körper muss lernen, diese eingefrorene Energie freizusetzen und wieder in einen Zustand der Sicherheit zu kommen.

Traumasensible Methoden, die den Körper und das Nervensystem einbeziehen, sind daher entscheidend für die Heilung. Dazu gehören Ansätze wie körperorientierte Psychotherapie, somatische Traumatherapie, Polyvagal-Theorie oder auch achtsamkeitsbasierte Verfahren. Diese Methoden helfen den Betroffenen, wieder in Kontakt mit ihrem Körper zu kommen, ihre inneren Zustände zu regulieren und das Nervensystem zu beruhigen.

Die fehlende therapeutische Beziehung

Ein weiterer wichtiger Punkt, der oft vernachlässigt wird, ist die therapeutische Beziehung. Menschen mit Traumafolgestörungen haben oft tiefe Wunden im Bereich der Bindung und Sicherheit. Sie brauchen eine besonders stabile, einfühlsame und vertrauensvolle Beziehung, um sich sicher genug zu fühlen, ihre verletzten Anteile zu zeigen. Leider ist in vielen klassischen therapeutischen Ansätzen diese emotionale Bindung nicht ausreichend entwickelt. Der therapeutische Raum bleibt oft zu "kühl" und sachlich, was es für Betroffene schwer macht, sich wirklich zu öffnen und tiefe Heilung zu erfahren.

Fazit: Ein Paradigmenwechsel ist nötig

Traumafolgestörungen erfordern einen ganzheitlichen Ansatz, der nicht nur den Kopf, sondern auch den Körper und das Nervensystem mit einbezieht. Die klassische Psychotherapie, die sich hauptsächlich auf Gespräche und kognitive Techniken stützt, versagt oft, weil sie diese entscheidenden Ebenen ausblendet. Nur durch Methoden, die den Körper als Speicher von Traumata anerkennen und das Nervensystem beruhigen, kann nachhaltige Heilung geschehen.

Wenn du selbst unter Traumafolgestörungen leidest oder Menschen in deinem Umfeld kennst, die betroffen sind, ist es wichtig, nach traumainformierten und körperorientierten Ansätzen zu suchen. Denn der Weg zur Heilung führt über den ganzen Körper, nicht nur über den Verstand.

Es ist nie zu spät für Heilung!


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